Negativzinsen hört sich erst einmal negativ an. Sind sie auch. Nur für die Banken gilt das nicht zwangsläufig. Denn einige machen damit eine schöne Stange Geld.
Was sind Negativzinsen?
Negativzinsen sorgen in Eurolanden schon seit 2014 für Schlagzeilen. Denn da wurde im Juni von der EZB erstmalig beschlossen, einen negativen Leitzins von -0,1 Prozent einzuführen. Ein kleiner Tabubruch, denn das über Jahrzehnte eingeübte Muster „Ich bringe Geld und bekomme Zinsen“ ist damit auf den Kopf gestellt. Die Banken sollten aber verleitet werden lieber Kredite an die Wirtschaft zu vergeben, anstatt ihre Einlagen bei der EZB zu parken. Und um somit die Wirtschaft nach den großen Krisen seit 2007, da die globale Finanzkrise, und 2010 mit der Eurokrise, wieder anzukurbeln. Hört sich ja erst mal gut an und hat sich sicherlich auch irgendwie und irgendwo verfangen. Aber die Banken wären nicht die Banken, wenn sie nicht schon wieder ihre Kreativität bei der Auslegung und Nutzung von rechtlichen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten unter Beweis stellen würden. Aber erst mal ein paar Daten um die Höhe des Negativzins überhaupt einordnen zu können.
Entwicklung des Negativzins
Der anfängliche negative Zins von -0,1 Prozent wurde über mehrere Schritte immer weiter gesenkt. -0,2 Prozent waren es im September 2014. Im Dezember 2015 ging es auf -0,3 Prozent runter, bevor es im März 2016 dann -0,4 Prozent wurden. Der blieb dann relativ lange stabil und wurde erst im September 2019 mit -0,5 Prozent auf den heute noch gültigen Wert gesetzt. Zum Vergleich: Zur Jahrtausendwende lag der Wert noch bei beachtlichen 3,75 Prozent – im Plus! Wenn die Banken im Jahr 2000 also eine Million bei der EZB geparkt haben, dann haben sie innerhalb 12 Monaten dafür stolze 37.500 Euro Zinsen bekommen. Eine Oma muss für solche Summen lange stricken.
Warum parken Banken Geld bei der EZB?
Es gibt da verschiedene Gründe. Es gibt da zum Einen die Mindestreserve, die zur Zeit 1 Prozent der Einlagen (zum Beispiel die Euro-Summe aller Girokonten und Sparbücher einer Bank) beträgt. Mit der Mindestreserve soll sichergestellt werden, dass die Bank im Falle, dass ihre Kunden massiv Geld abziehen, weiterhin liquide bleibt. Diese Mindestreserve muss bei der EZB hinterlegt werden. Zum anderen müssen die Einlagen von der Bank auch wieder genutzt werden.
Eine Form sind zum Beispiel die Kredite, welche an die Wirtschaft und private Haushalte vergeben werden. Kann sie das nicht erreichen, weil die Nachfrage nach Krediten zu gering ist oder die Kredite so hoch mit Risiko behaftet wären, dass mit Zahlungsausfällen gerechnet werden müsste, dann bleiben Beträge übrig. Und wenn sie dafür dann keine anderen passenden Anlagemöglichkeiten findet, dann werden diese Einlagen bei der EZB „geparkt“. Denn irgendwo müssen die Summen aus den Einlagen verbleiben. Dass geht nur über zwei Wege: Bargeld, dass physisch in einem Tresor liegt. Oder eben als Buchgeld bei der EZB. Dort nehmen Sie dann lieber die -0,5 Prozent in Kauf anstatt es als risikobehaftete Kredite zu verleihen.
Kreative Banken
Aber kommen wir nun zur Kreativität. Zusätzlich, dass die Banken mit den Einlagen gewinnbringend Kredite vergeben können, werden nun die Eigentümer größerer Einlagen zur Kasse gebeten. Immer mehr Banken gehen dazu über, die „Strafzinsen“ der EZB an ihre Kunden weiterzugeben. Wobei „größere Einlagen“ inzwischen schon relativ ist, wenn man sieht, dass Banken wie zum Beispiel die DKB den Freibetrag in Schritten von erst 100.000 Euro, auf 50.000 Euro und seit letzten November nun 25.000 Euro reduziert hat. Diese Freibeträge gelten für Neukunden von Beginn an. Und wer als Bestandskunde nicht zustimmt, der muss damit rechnen, dass ihm das Konto gekündigt wird. Auch ich habe von der ING einen entsprechenden Liebesbrief bekommen:
[shortc_image_carousel source=“media: 2443,2445″ align=“center“ max_width=“80%“ captions=“yes“ link=“image“ autoplay=“4″ image_size=“medium“]Nur der Vollständigkeit halber: Auch wenn die DKB mit einer zweifachen Halbierung ihrer eingeräumten Freigrenzen heraus sticht, so haben auch andere Banken haben ihre Freibeträge zuletzt drastisch reduziert. Die ING zum Beispiel von 100.000 auf 50.000 Euro. Viele weitere Banken auch. Während die meisten Banken die -0,5 Prozent der EZB weitergeben, gibt es noch recht dreiste Banken, die sogar -0,6 Prozent ab dem ersten Euro berechnen (zum Beispiel die Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg).
Sind die „Strafzinsen“ gerechtfertigt?
Zum einen stimmt es natürlich, dass die Banken durch die Niedrigzinspolitik weniger Einnahmen verbuchen. Immerhin orientieren sich die Kreditzinsen am Leitzins der EZB und fallen entsprechend geringer aus. Allerdings ist das keine Einbahnstraße. Denn auch die Zinsen für die Anlagen orientieren sich daran, so dass die Banken für von ihren Kunden investiertes Geld weniger bis gar nichts mehr ausschütten. Die klassischen Sparbücher sind nahezu allesamt bei einer Verzinsung von zwischen 0,01 und 0,10 Prozent angekommen. Und für Festgeldanlagen kommt man kaum über 0,35 Prozent hinaus (Festgeldvergleich). Und noch einen Effekt „vergessen“ die Banken bei Ihrer Argumentation gerne – das gestiegene Kreditvolumen, durch welches Erträge zwar nicht in der Tiefe, aber in der Breite gestiegen sind.
Allerdings jammern die Banken ein wenig zu sehr, wenn sie über die böse EZB schimpfen und so tun, als würden sie mit den erhobenen „Verwahrentgelten“ nur ihre eigenen gestiegenen Kosten ausgleichen wollen. Denn allen Banken wird bei der EZB zur Entlastung ein Freibetrag in sechsfacher Höhe der Mindestreserve, eingeräumt, der nicht negativ verzinst wird. Gleichzeitig horten die Banken soviel Bargeld wie nie zuvor in ihren Tresoren um den Negativzinsen zu entgehen. Bereits Anfang 2020 wurden neue Rekordstände erzielt, die das Handelsblatt berichtet. 2021 wird es sicherlich nicht weniger geworden sein.
„Deposit Repricing“ – neue Einnahmen aus dem Nichts
So kommt es nun dazu, dass die Banken mit den Verwahrentgelten eine neue Einnahmequelle aufgetan haben. Und die sprudelt stärker, als die dagegen stehenden Ausgaben bei der EZB, da die Banken nur für einen geringen Teil ihrer dort geparkten Einlagen tatsächlich die -0,5 Prozent aufbringen müssen. So hat das ZDF bereits im April 2021 vom Beispiel der Commerzbank berichtet, die im dritten Quartal 2020 zwar 268 Millionen negative Zinsen gezahlt hat. Dem standen aber im gleichen Zeitraum auf dieser Position so genannte „Deposit Repricing“-Einnahmen in Höhe von 442 Millionen gegenüber. Durch die bei den vielen Banken nun reduzierten Freibeträge werden diese Einnahmen und Überschüsse in 2021 gestiegen und in 2022 noch weiter ansteigen.
Fazit
Die Banken schaffen es mal wieder. Dank ihrer „Kreativität“ können sie von sich selbst ein Bild als ein von der Niedrigzinspolitik und den Negativzinsen gebeuteltes Opfer der EZB darstellen. Die Wahrheit sieht allerdings ein wenig anders aus. Im Grunde dreist, denn dass ist vieles, nur eines nicht: Ehrlich. Und zwar legal, aber nicht legitim.
Bildquellen
- Mann-flieht-mit-Euro: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay